Dienstag, 24. Juni 2014

Naziangriff auf die Demokratie: „Mit einem Schlag ins Rathaus“ – ein Augenzeugenbericht


von Utz Kowalewski


Auf der Wahlparty der Linkspartei herrschte am 25. Mai ausgelassene Stimmung. Immerhin hatte DIE LINKE die Kommunalwahlen klar gewonnen, ihre absoluten Wählerstimmen im Vergleich zur Wiederholungswahl 2012 nahezu verdreifacht und ihre Ratsmandate immerhin verdoppelt. Doch dann bekam der Abend eine ganz andere Wendung, die die Kommunalwahlen in den Hintergrund treten ließ.

Zunächst betrat ein zweiköpfiger Neonazis-Erkundungstrupp den Friedensplatz. Bekleidet mit gelben T-Shirts, die für eine vom Innenminister verbotene Neonaziorganisation warben, drucksten sich die zwei Nazis an der der Innenstadt zugewandten Häuserfront entlang. Ein Ruf drang in die Bürgerhalle „Die Nazis kommen“. Ich bin daraufhin vor die Tür getreten und habe diesen ersten Erkundungstrupp beobachtet. Die beiden Nazis erreichten schließlich den äußersten Rand der Rathaustreppe nahe einer italienischen Pizzeria.

Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung mit mehreren Rauchern, die ein wenig Abseits standen. Vor dem Rathaus standen bereits eine größere Anzahl von Menschen, die sich überwiegend zum Rauchen dort aufhielten (Im Rathaus gilt ein striktes Rauchverbot). Einige Personen aus der Menge kam den unter Druck gesetzten Menschen ohne Zögern zu Hilfe, worauf sich die beiden Nazis sofort im Laufschritt zurückzogen.


Ich bin augenblicklich erneut ins Rathaus gegangen und habe die Mitarbeiter an der Rathauspforte aufgefordert sofort die Polizei darüber zu unterrichten, dass sich Nazis auf dem Weg zum Rathaus befinden und die Situation zu eskalieren droht. Dies ist dann auch geschehen.


Ein paar Minuten später betrat eine 6-köpfige Nazigruppe den Friedensplatz und hielt sich wartend im hinterem Bereich des Platzes auf. Ich beobachtet die Szenerie mit Argwohn. Inzwischen kamen die ersten Rettungswagen auf dem Friedensplatz an, die offenbar den Notrufen gefolgt waren. Ich wurde unabhängig voneinander von mehreren Personen angesprochen, die mich auf ein Fahrzeug des Staatsschutzes aufmerksam machen wollten, dass sich offenbar direkt nach Ankunft der beiden ersten Nazis vom Friedensplatz zurückgezogen hatte. O-Ton: "Die sind einfach abgehauen".


Als die Gruppe der knapp 30 gewaltbereiten Nazis vollzählig war, bewegten sie sich rassistische Parolen grölend in Marschformation auf den Eingang des Rathauses zu. Dort hatten sich viele Menschen zu einer Menschenkette untergehakt, um ihre demokratische Gesinnung zu demonstrieren und den Nazis zu signalisieren, dass sie im Rathaus nicht willkommen sind. Die Nazis gingen ohne weitere verbale Auseinandersetzung sofort auf die Menschenkette los und schlugen Mitglieder des Rates, Mitglieder der Bezirksvertretungen oder von den Fraktionen des Rates eingeladene Gäste. Auch wurde von Seiten der Nazis sehr schnell Pfefferspray eingesetzt, als klar wurde, dass die angesichts der Bedrohungssituation äußerst diszipliniert und besonnen agierende Menschenkette diesen Angriffen standhielt. Ein Bezirksvertreter von DIE LINKE wurde ins Innere des Rathauses weggeführt, weil ihm Pfefferspray direkt ins Gesicht gesprüht worden war und musste medizinisch behandelt werden. 


Es folgten mehrere weitere Angriffswellen auf räumlich eingegrenzte Bereiche der Menschenkette, die systematisch versucht haben die Schwachstellen ausfindig zu machen. Ziel der Nazis war es augenfällig sich gewaltsam Zutritt zum Rathaus zu verschaffen. Das Ratsmitglied der Rechten Borchart nahm an den Angriffen nicht selbst teil, koordinierte aber die gewaltsamen Angriffe auf die Menschenkette und gab seinen Schlägern Anweisungen, wo sie als Nächstes angreifen sollten.


An einer Stelle gelang den Nazis dann der gewaltsame Durchbruch bis zur Rathaustür, die Menschenkette wurde gesprengt und die Gewalttätigkeiten der Nazis wurde noch einmal heftiger. Eine Frau wurde an ihren Haaren gegen die Wand des Ratshauses geschleudert. Nach diesem Vorstoß bis zur Tür konnten sie aus dem Innenraum heraus allerdings wieder zurückgedrängt werden. Ein einzelner Nazi konnte allerdings bis in den Innenraum des Ratshauses vordringen und wurde von dort aus wieder gewaltfrei hinaus eskortiert.


Nach dieser Aktion wurde die Menschenkette zahlenmäßig aus dem Innenraum weiter verstärkt und ein Durchkommen für die Nazis unmöglich. Nun skandierten beide Seiten Parolen. Die Nazis provozierten mit volksverhetzenden Inhalten. Die Demokraten reagierten mit Sarkasmus: „Ohne den Verfassungsschutz seid Ihr nur zu dritt“. Zu dieser Zeit erreichten auch die ersten Polizisten den Friedensplatz – lange nach dem Eintreffen der ersten Rettungswagen, deren Reaktionszeit deutlich kürzer war, als die Reaktionszeit der Polizei.


Diese ersten wenigen Beamten stellten sich dann schützend vor die Menschenkette und hielten die Nazis durch den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray auf Abstand. Nach und nach verstärkte die Polizei ihre Einsatzkräfte und schließlich wurden die Rechten von der Polizei eingekreist und später zu den Haltestellen des ÖPNV eskortiert, mit denen sie auch aus Dorstfeld kommend angereist waren.

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