Als
einer meiner Mitarbeiter in der Fraktionsgeschäftsstelle mit der
Idee auf mich zu kam, die Stadt dazu zu veranlassen ein Handbuch
herauszugeben, dass Vermietern und Verkäufern von Immobilien
Ratschläge im Umgang mit potentiellen Neonazis als Mieter oder
Käufer ihrer Objekte gibt, hielt ich dies sofort für eine
gute Idee. Schließlich hat Dortmund ein gewaltiges Naziproblem,
dass nicht mal im Ansatz gelöst ist. Die Erfahrungen aus
Dorstfeld und Huckarde, wo Nazis Ladenlokale bezogen hatten und
versuchten über den Zusammenzug von Nazis aus dem Umfeld eine
ihrer widerlichen „national befreiten Zonen“ zu errichten, die
wir aus anderen Städten - besonders in Ostdeutschland - zur
Genüge kennen, bestärkte unsere Fraktion die Sache
anzugehen. Da sogar der NRW-Innenminister die Dortmunder
Nazikameradschaft für so gefährlich hielt, dass er sie als
verfassungsfeindliche Organisation verboten hat, erschien das
Vorhaben ein unter Demokraten wohl Unstrittiges zu sein – nach
Bekanntwerden der Kontakte der Dortmunder Naziszene zu den
NSU-Terroristen im Untersuchungsausschuss des Bundestages
insbesondere. Ich hätte daher nicht im Traum daran gedacht zu
welcher unglaublichen Geschichte sich die Sache aufblasen würde.
Zur
Ratssitzung am 14.2.2013 stellten wir also den Antrag ein „Handbuch
für Vermieter, Verwalter und Verkäufer - Wie umgehen mit
Anmietungs- und Kaufversuchen Rechtsextremer?“ herauszugeben. Kurz
vor der Sitzung bat mich der stellv. Fraktionsvorsitzende der SPD um
ein Gespräch und bat mich zuzustimmen, den Antrag in den
Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung, Wohnen und Immobilien
(AUSWI) überweisen zu lassen. Die SPD sei sich noch uneinig über
das Vorgehen, würde den Antrag aber nicht ablehnen wollen. Nach
der Überweisung solle man dann etwas gemeinsames im Sinne der
Zielsetzung unseres Antrages entwickeln, dass die SPD dann ebenfalls
mittragen könne.
Dazu
war ich natürlich gerne bereit. Entsprechend habe ich als erster
Redner zum Thema in der Antragsbegründung den Vorschlag der SPD
aufgegriffen und mich mit einer Überweisung in den AUSWI
einverstanden erklärt. Eigentlich hätte die Ratsdebatte an
dieser Stelle beendet sein können.
Als
Nächstes war jedoch ein älterer Herr von der FDP an der
Reihe, der in seine Rede den ganzen angestauten Hass auf Linke
Politik in Deutschland legte und DIE LINKE auf eine Stufe mit den
Nazis stellte. Dies konnte natürlich so nicht stehen gelassen
werden und eine Ratskollegin der Grünen wies den unpassenden
Vergleich des FDP-Ratsmitgliedes ebenso deutlich zurück. Der
Oberbürgermeister ließ sich in der aufgeheizten Stimmung
dazu hinreißen deutlich zu machen, dass er es für einen
Grundrechtsverstoß halten würde, ein Handbuch wie vor uns
vorgeschlagen herauszugeben, ebenso Ratsmitglieder von der CDU.
Das
Ganze gipfelte in einem Eklat: Der Fraktionsvorsitzende der FDP
stellte den Wortbeitrag der Grünen Ratsfrau in einem Wortbeitrag
wortwörtlich in die Zeit zwischen 1933 und 1945. Auf Bundes- und
Landesebene mussten schon Politiker für weniger zurücktreten.
Nach
der dann endlich abgeschlossenen und im Niveau unterirdischen Debatte
erfolgte dann die besagte Überweisung des Antrages in den AUSWI.
Die Sitzungpause des Rates wurde dann vom Oberbürgermeister
genutzt um den FDP-Chef ins Gebet zu nehmen und zu einer halbherzigen
Entschuldigung gegenüber der Kollegin von den Grünen zu
bewegen.
Entsprechend
des besprochenen Verfahrens verabredeten sich der Kollege von der SPD
und ich eine Woche vor der Sitzung des Ausschusses, um einen
konsensfähigen Antrag vorzubereiten. Allerdings kam dann
krankheitsbedingt eine kurzfristige Absage des Kollegen, so dass wir
den Antrag per E-Mail und telefonisch vorbereiten mussten.
Zwischenzeitlich
meldete sich auch die Ausschussvorsitzende von den Grünen in der
Sorge, dass es eine ähnliche Schlammschlacht wie im Rat geben
könnte, wenn der Antrag unverändert bliebe. Ich informierte
sie daher über den aktuellen Stand der Gespräche und
stellte den Ersetzungsantrag in Aussicht. Diesen wollten die Grünen
nach Aussage der Ausschussvorsitzenden und Fraktionssprecherin dann
mittragen.
Die
Endabstimmung des Antrages stellte sich dann wieder als etwas zäh
heraus. Der Kollege von der SPD hatte mit dem Leiter der
Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus in Dortmund gesprochen
und wurde so auf eine Broschüre aus Köln aufmerksam –
dort herausgegeben, unter anderem vom kommunalen Wohnungsunternehmen,
vom DGB, ver.di und der NGG. Diese befasste sich mit dem Thema der
Ladenlokale. Die SPD hatte zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossen,
dass Thema der Privatwohnungen nicht mit zu verabschieden.
Die
Broschüre war allerdings hervorragend und der Antragsentwurf
wurde dahingehend modifiziert, diese Broschüre zur Grundlage
einer Dortmunder Broschüre zu machen. Zur Absegnung durch seine
Fraktion leitete der SPD-Kollege (immerhin ja stellv.
Fraktionsvorsitzender) den Antragsentwurf an die
SPD-Fraktionsgeschäftsstelle weiter. Dies war bereits am Vortag
der Ausschusssitzung.
In
der Linken Geschäftsstelle hieß es dann auf die
Änderungswünsche der SPD zu warten. Erst am Tage der
Ausschusssitzung – am 13.3.2013 - konnten wir durch wiederholte
Nachfragen in der SPD-Fraktionsgeschäftsstelle dann die Aussage
erhalten, dass die SPD den Antrag gar nicht mittragen wolle, egal in
welcher Formulierung. Über diese Aussage verwundert setzte ich
den stellv. Fraktionschef der SPD in Kenntnis und dieser war mehr als
angefressen und bat mich um Geduld. Er würde das noch regeln.
20
Minuten vor der Sitzung des Ausschusses begegneten wir uns eher
zufällig wieder. Bis dahin hatten wir den Antrag immer noch
nicht ins Gremiensystem eingestellt. Ich bot an, den kompletten
Tagesordnungspunkt zurückzuziehen, wenn es bei der SPD keine
Mehrheit dafür gäbe und wollte den Nazis nicht die
Genugtuung gönnen, dass gegen sie gerichtete Anträge
abgelehnt werden. Doch dieses Angebot hielt der SPD-Kollege für
unnötig, weil er sich schon bei seinen Kollegen durchsetzen
werde. Wir stellten den Antrag daher ein und gaben ihn als
Tischvorlage in die Sitzung.
In
der Ausschusssitzung schließlich versuchte die CDU zunächst
den Tagesordnungspunkt komplett absetzen zu lassen. Ein kurzer
Blickkontakt zur SPD - Kopfschütteln zum Ansinnen der CDU. Zu
diesem Zeitpunkt musste ich davon ausgehen, dass der Kollege Erfolg
hatte. Die Ausschussvorsitzende der Grünen wies auf unsere
Tischvorlage hin und erklärte, dass damit wohl die Bedenken der
Ratssitzung ausgeräumt wären. Der Antrag bleib damit auf
der Tagesordnung.
Nach
Aufruf des Tagesordnungspunktes stellte ich den Antrag in aller Kürze
vor. Darauf meldete sich der Vorsitzende der SPD-Ausschussfraktion zu
Wort und erklärte, dass die SPD den Antrag ablehnen werde, weil
sie rechtliche Bedenken habe. Daraufhin meldete sich die
Ausschusssprecherin der Grünen und erklärte Ähnliches
(nicht ohne damit Bekundungen von KollegInnen einzuholen, die deren
Bauchschmerzen mit dieser Entscheidung erklärten). Im Ergebnis
war DIE LINKE die einzige Fraktion, die diesen Antrag unterstützte,
während SPD, CDU, Grüne und FDP/Bürgerliste zusammen
mit dem Vertreter der NPD gegen den Antrag stimmten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen