Mittwoch, 13. März 2013

Ein Vermieterhandbuch gegen Nazis ? Skandalöses aus dem Dortmunder Rat


Als einer meiner Mitarbeiter in der Fraktionsgeschäftsstelle mit der Idee auf mich zu kam, die Stadt dazu zu veranlassen ein Handbuch herauszugeben, dass Vermietern und Verkäufern von Immobilien Ratschläge im Umgang mit potentiellen Neonazis als Mieter oder Käufer ihrer Objekte gibt, hielt ich dies sofort für eine gute Idee. Schließlich hat Dortmund ein gewaltiges Naziproblem, dass nicht mal im Ansatz gelöst ist. Die Erfahrungen aus Dorstfeld und Huckarde, wo Nazis Ladenlokale bezogen hatten und versuchten über den Zusammenzug von Nazis aus dem Umfeld eine ihrer widerlichen „national befreiten Zonen“ zu errichten, die wir aus anderen Städten - besonders in Ostdeutschland - zur Genüge kennen, bestärkte unsere Fraktion die Sache anzugehen. Da sogar der NRW-Innenminister die Dortmunder Nazikameradschaft für so gefährlich hielt, dass er sie als verfassungsfeindliche Organisation verboten hat, erschien das Vorhaben ein unter Demokraten wohl Unstrittiges zu sein – nach Bekanntwerden der Kontakte der Dortmunder Naziszene zu den NSU-Terroristen im Untersuchungsausschuss des Bundestages insbesondere. Ich hätte daher nicht im Traum daran gedacht zu welcher unglaublichen Geschichte sich die Sache aufblasen würde.

Zur Ratssitzung am 14.2.2013 stellten wir also den Antrag ein „Handbuch für Vermieter, Verwalter und Verkäufer - Wie umgehen mit Anmietungs- und Kaufversuchen Rechtsextremer?“ herauszugeben. Kurz vor der Sitzung bat mich der stellv. Fraktionsvorsitzende der SPD um ein Gespräch und bat mich zuzustimmen, den Antrag in den Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung, Wohnen und Immobilien (AUSWI) überweisen zu lassen. Die SPD sei sich noch uneinig über das Vorgehen, würde den Antrag aber nicht ablehnen wollen. Nach der Überweisung solle man dann etwas gemeinsames im Sinne der Zielsetzung unseres Antrages entwickeln, dass die SPD dann ebenfalls mittragen könne.

Dazu war ich natürlich gerne bereit. Entsprechend habe ich als erster Redner zum Thema in der Antragsbegründung den Vorschlag der SPD aufgegriffen und mich mit einer Überweisung in den AUSWI einverstanden erklärt. Eigentlich hätte die Ratsdebatte an dieser Stelle beendet sein können.

Als Nächstes war jedoch ein älterer Herr von der FDP an der Reihe, der in seine Rede den ganzen angestauten Hass auf Linke Politik in Deutschland legte und DIE LINKE auf eine Stufe mit den Nazis stellte. Dies konnte natürlich so nicht stehen gelassen werden und eine Ratskollegin der Grünen wies den unpassenden Vergleich des FDP-Ratsmitgliedes ebenso deutlich zurück. Der Oberbürgermeister ließ sich in der aufgeheizten Stimmung dazu hinreißen deutlich zu machen, dass er es für einen Grundrechtsverstoß halten würde, ein Handbuch wie vor uns vorgeschlagen herauszugeben, ebenso Ratsmitglieder von der CDU.

Das Ganze gipfelte in einem Eklat: Der Fraktionsvorsitzende der FDP stellte den Wortbeitrag der Grünen Ratsfrau in einem Wortbeitrag wortwörtlich in die Zeit zwischen 1933 und 1945. Auf Bundes- und Landesebene mussten schon Politiker für weniger zurücktreten.

Nach der dann endlich abgeschlossenen und im Niveau unterirdischen Debatte erfolgte dann die besagte Überweisung des Antrages in den AUSWI. Die Sitzungpause des Rates wurde dann vom Oberbürgermeister genutzt um den FDP-Chef ins Gebet zu nehmen und zu einer halbherzigen Entschuldigung gegenüber der Kollegin von den Grünen zu bewegen.


Entsprechend des besprochenen Verfahrens verabredeten sich der Kollege von der SPD und ich eine Woche vor der Sitzung des Ausschusses, um einen konsensfähigen Antrag vorzubereiten. Allerdings kam dann krankheitsbedingt eine kurzfristige Absage des Kollegen, so dass wir den Antrag per E-Mail und telefonisch vorbereiten mussten.

Zwischenzeitlich meldete sich auch die Ausschussvorsitzende von den Grünen in der Sorge, dass es eine ähnliche Schlammschlacht wie im Rat geben könnte, wenn der Antrag unverändert bliebe. Ich informierte sie daher über den aktuellen Stand der Gespräche und stellte den Ersetzungsantrag in Aussicht. Diesen wollten die Grünen nach Aussage der Ausschussvorsitzenden und Fraktionssprecherin dann mittragen.

Die Endabstimmung des Antrages stellte sich dann wieder als etwas zäh heraus. Der Kollege von der SPD hatte mit dem Leiter der Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus in Dortmund gesprochen und wurde so auf eine Broschüre aus Köln aufmerksam – dort herausgegeben, unter anderem vom kommunalen Wohnungsunternehmen, vom DGB, ver.di und der NGG. Diese befasste sich mit dem Thema der Ladenlokale. Die SPD hatte zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossen, dass Thema der Privatwohnungen nicht mit zu verabschieden.

Die Broschüre war allerdings hervorragend und der Antragsentwurf wurde dahingehend modifiziert, diese Broschüre zur Grundlage einer Dortmunder Broschüre zu machen. Zur Absegnung durch seine Fraktion leitete der SPD-Kollege (immerhin ja stellv. Fraktionsvorsitzender) den Antragsentwurf an die SPD-Fraktionsgeschäftsstelle weiter. Dies war bereits am Vortag der Ausschusssitzung.

In der Linken Geschäftsstelle hieß es dann auf die Änderungswünsche der SPD zu warten. Erst am Tage der Ausschusssitzung – am 13.3.2013 - konnten wir durch wiederholte Nachfragen in der SPD-Fraktionsgeschäftsstelle dann die Aussage erhalten, dass die SPD den Antrag gar nicht mittragen wolle, egal in welcher Formulierung. Über diese Aussage verwundert setzte ich den stellv. Fraktionschef der SPD in Kenntnis und dieser war mehr als angefressen und bat mich um Geduld. Er würde das noch regeln.

20 Minuten vor der Sitzung des Ausschusses begegneten wir uns eher zufällig wieder. Bis dahin hatten wir den Antrag immer noch nicht ins Gremiensystem eingestellt. Ich bot an, den kompletten Tagesordnungspunkt zurückzuziehen, wenn es bei der SPD keine Mehrheit dafür gäbe und wollte den Nazis nicht die Genugtuung gönnen, dass gegen sie gerichtete Anträge abgelehnt werden. Doch dieses Angebot hielt der SPD-Kollege für unnötig, weil er sich schon bei seinen Kollegen durchsetzen werde. Wir stellten den Antrag daher ein und gaben ihn als Tischvorlage in die Sitzung.

In der Ausschusssitzung schließlich versuchte die CDU zunächst den Tagesordnungspunkt komplett absetzen zu lassen. Ein kurzer Blickkontakt zur SPD - Kopfschütteln zum Ansinnen der CDU. Zu diesem Zeitpunkt musste ich davon ausgehen, dass der Kollege Erfolg hatte. Die Ausschussvorsitzende der Grünen wies auf unsere Tischvorlage hin und erklärte, dass damit wohl die Bedenken der Ratssitzung ausgeräumt wären. Der Antrag bleib damit auf der Tagesordnung.

Nach Aufruf des Tagesordnungspunktes stellte ich den Antrag in aller Kürze vor. Darauf meldete sich der Vorsitzende der SPD-Ausschussfraktion zu Wort und erklärte, dass die SPD den Antrag ablehnen werde, weil sie rechtliche Bedenken habe. Daraufhin meldete sich die Ausschusssprecherin der Grünen und erklärte Ähnliches (nicht ohne damit Bekundungen von KollegInnen einzuholen, die deren Bauchschmerzen mit dieser Entscheidung erklärten). Im Ergebnis war DIE LINKE die einzige Fraktion, die diesen Antrag unterstützte, während SPD, CDU, Grüne und FDP/Bürgerliste zusammen mit dem Vertreter der NPD gegen den Antrag stimmten.

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