Montag, 10. November 2014

Freiräume für linksorientierte Jugendliche

Sie sehen anders aus. Sie reden anders. Sie trinken Bier in der Öffentlichkeit. Und sie haben was gegen Nazis. In Dortmund halten sich viele politisch linksorientierte in sogenannten Subkulturen auf, die besonders aus dem konservativem Mileau argwöhnisch beäugt werden.


Seitdem ich Politik mache, steht die Forderung dieser Jugendlichen nach einem autonomen sozialen Zentrum im Raum. Bisher jedoch in der Xten Generation Jugendlicher ohne Erfolg.


Zeitweilig versammelten sich Jugendliche der Emo-Szene am Dortmunder Stadtgarten. Sie hörten Musik, sie feierten Partys und sie lachten laut. Und auch der kursgeschorene Rasen wurden hier und da mal betreten. Dies ging so lange bis sich eine Ratsfrau der CDU beschwerte, die fühle sich bei der Anreise zum benachbarten Rathaus von der Anwesenheit der jungen Menschen bedroht. Das Ordnungsamt vertrieb die Emos daraufhin.

Auf der Brückstrasse das gleiche Spiel. Die linke Szenekneipe HirschQ – viel zu klein für ihr Klientel – zieht auch hier Jugendliche und junge Erwachsene an. In so großen Massen, dass sie sich auf der Strasse aufhalten, weil die Kneipe sie häufig nicht aufnehmen kann. Polizei und Ordnungsamt gehen dann gegen dagegen vor und verteilen Platzverweise als würde man dadurch eine Belobigung für die Beamtenlaufbahn erhalten.

So geht das seit Jahren – bei den allfälligen Podiumsdiskussionen an den Dortmunder Schulen zu Wahlkampfzeiten werde ich regelmäßig darauf angesprochen, dass es in Dortmund keine Anlaufstelle gäbe, die dieser Zielgruppe gerecht würde. Das man ein autonomes selbstverwaltetes Zentrum brauche. Die Durchsetzung dieses Zentrums ist seit Jahren Teil des Kommunalwahlporgrammes der LINKSPARTEI. Die Durchsetzung ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Dortmunder Rat aber nicht leicht.


Nun ist Bewegung in die Sache gekommen – einige hundert junge Menschen haben die Dinge in die eigene Hand genommen. Sie gründeten das Zentrum Avanti – zunächst noch ohne Raum. Dann besetzten sie die marode Albertus-Magnus-Kirche in der Nordstadt. Und sie begannen sie wieder herzurichten – stellten Blumenkübel auf und führten einfach Reparaturen durch. Die Anwohner begrüßten die Initiative und versorgten die Avantis mit Getränken und Nahrung, ließen sie ihre sanitären Einrichtungen benutzen. Die katholische Kirche verkündete, dass sie keine rechtliche Schritte einleiten wolle und die Besetzung dulden würde. Allerdings nur auf Zeit, denn ein Investor für den Abriss der Kirche und den Neubau einer interkulturellen Kindertagesstätte stünde schon in den Startlöchern.

Also eine Erfolgsstory ? Nur teilweise – die Avantis haben in diesen Tagen deutlich gemacht, was gehen könnte, wenn man sie machen ließe. Allerdings hatte die Polizei schon Gegenmaßnahmen getroffen – unter ihrem Schutz wurde eine erfolgreich blockierte Nazidemo aus der Innenstadt direkt vor das besetzte Gebäude gelotzt. Leider fand sich auch passend dazu ein Steinewerfer, so dass es gelang unter dem Vorwand der Ermittlungen wegen des Steinwurfs die Albertus-Magnus-Kirche zu räumen – gegen den erklärten Willen des Besitzers.


Bald darauf wurde nach Vorberatungen mit verschiedenen Akteuere ein runder Tisch einberufen. Mit an Bord waren neben den Avantis das Quartiersmanagement der Nordstadt, der Obmann der Stadt für die Nordstadt, der Dortmunder Mieterverein, die katholische Kirche, ein Vertreter der SPD, eine Vertreterin der Grünen Ratsfraktion und ein Vertreter der Fraktion DIE LINKE & PIRATEN. Im Ergebnis wurde die politische Initiative gesucht. Der SPD-Vorstand beauftragte die SPD-Ratsfraktion mit Grünen und LINKEN in dieser Sache zusammen zu arbeiten. Und so wurde ein gemeinsamer Antrag der drei Fraktionen in den Ausschuss für Finanzen, Beteiligungen und Liegenschaften eingebracht.


Dieser war allerdings sehr weichgespült formuliert worden, wie ein SPD-Ratsvertreter in Richtung der eigenen Fraktion treffend formulierte. Verbale Angriffe von CDU, FDP und AfD auf das Vorhaben wurden von Grünen, LINKEN und Sozialdemokraten argumentativ abgewehrt. Der Antrag wurde mehrheitlich beschlossen.

Nun liegt der Ball vorerst im Feld der Verwaltung – und bei Avanti selbst. Ein belastbares Betriebskonzept muss her und eine Immobilie. Vielversprechende Ansätze dazu sind vorhanden und vielleicht wird ja tatsächlich die Neverending Story um ein autonomes soziales Zentrum zu einer Erfolgsgeschichte für die Nordstadt. Denn einen Umsonstladen, eine Umsonstfahradwerkstadt für Menschen ohne Geld und ein Veranstaltungszentrum für Linke Subkultur wäre eine deutliche Bereicherung. Und nicht zuletzt auch ein Schutz der Nordstadt vor den Aktivitäten von Neonazis.

Dienstag, 24. Juni 2014

Naziangriff auf die Demokratie: „Mit einem Schlag ins Rathaus“ – ein Augenzeugenbericht


von Utz Kowalewski


Auf der Wahlparty der Linkspartei herrschte am 25. Mai ausgelassene Stimmung. Immerhin hatte DIE LINKE die Kommunalwahlen klar gewonnen, ihre absoluten Wählerstimmen im Vergleich zur Wiederholungswahl 2012 nahezu verdreifacht und ihre Ratsmandate immerhin verdoppelt. Doch dann bekam der Abend eine ganz andere Wendung, die die Kommunalwahlen in den Hintergrund treten ließ.

Zunächst betrat ein zweiköpfiger Neonazis-Erkundungstrupp den Friedensplatz. Bekleidet mit gelben T-Shirts, die für eine vom Innenminister verbotene Neonaziorganisation warben, drucksten sich die zwei Nazis an der der Innenstadt zugewandten Häuserfront entlang. Ein Ruf drang in die Bürgerhalle „Die Nazis kommen“. Ich bin daraufhin vor die Tür getreten und habe diesen ersten Erkundungstrupp beobachtet. Die beiden Nazis erreichten schließlich den äußersten Rand der Rathaustreppe nahe einer italienischen Pizzeria.

Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung mit mehreren Rauchern, die ein wenig Abseits standen. Vor dem Rathaus standen bereits eine größere Anzahl von Menschen, die sich überwiegend zum Rauchen dort aufhielten (Im Rathaus gilt ein striktes Rauchverbot). Einige Personen aus der Menge kam den unter Druck gesetzten Menschen ohne Zögern zu Hilfe, worauf sich die beiden Nazis sofort im Laufschritt zurückzogen.


Ich bin augenblicklich erneut ins Rathaus gegangen und habe die Mitarbeiter an der Rathauspforte aufgefordert sofort die Polizei darüber zu unterrichten, dass sich Nazis auf dem Weg zum Rathaus befinden und die Situation zu eskalieren droht. Dies ist dann auch geschehen.


Ein paar Minuten später betrat eine 6-köpfige Nazigruppe den Friedensplatz und hielt sich wartend im hinterem Bereich des Platzes auf. Ich beobachtet die Szenerie mit Argwohn. Inzwischen kamen die ersten Rettungswagen auf dem Friedensplatz an, die offenbar den Notrufen gefolgt waren. Ich wurde unabhängig voneinander von mehreren Personen angesprochen, die mich auf ein Fahrzeug des Staatsschutzes aufmerksam machen wollten, dass sich offenbar direkt nach Ankunft der beiden ersten Nazis vom Friedensplatz zurückgezogen hatte. O-Ton: "Die sind einfach abgehauen".


Als die Gruppe der knapp 30 gewaltbereiten Nazis vollzählig war, bewegten sie sich rassistische Parolen grölend in Marschformation auf den Eingang des Rathauses zu. Dort hatten sich viele Menschen zu einer Menschenkette untergehakt, um ihre demokratische Gesinnung zu demonstrieren und den Nazis zu signalisieren, dass sie im Rathaus nicht willkommen sind. Die Nazis gingen ohne weitere verbale Auseinandersetzung sofort auf die Menschenkette los und schlugen Mitglieder des Rates, Mitglieder der Bezirksvertretungen oder von den Fraktionen des Rates eingeladene Gäste. Auch wurde von Seiten der Nazis sehr schnell Pfefferspray eingesetzt, als klar wurde, dass die angesichts der Bedrohungssituation äußerst diszipliniert und besonnen agierende Menschenkette diesen Angriffen standhielt. Ein Bezirksvertreter von DIE LINKE wurde ins Innere des Rathauses weggeführt, weil ihm Pfefferspray direkt ins Gesicht gesprüht worden war und musste medizinisch behandelt werden. 


Es folgten mehrere weitere Angriffswellen auf räumlich eingegrenzte Bereiche der Menschenkette, die systematisch versucht haben die Schwachstellen ausfindig zu machen. Ziel der Nazis war es augenfällig sich gewaltsam Zutritt zum Rathaus zu verschaffen. Das Ratsmitglied der Rechten Borchart nahm an den Angriffen nicht selbst teil, koordinierte aber die gewaltsamen Angriffe auf die Menschenkette und gab seinen Schlägern Anweisungen, wo sie als Nächstes angreifen sollten.


An einer Stelle gelang den Nazis dann der gewaltsame Durchbruch bis zur Rathaustür, die Menschenkette wurde gesprengt und die Gewalttätigkeiten der Nazis wurde noch einmal heftiger. Eine Frau wurde an ihren Haaren gegen die Wand des Ratshauses geschleudert. Nach diesem Vorstoß bis zur Tür konnten sie aus dem Innenraum heraus allerdings wieder zurückgedrängt werden. Ein einzelner Nazi konnte allerdings bis in den Innenraum des Ratshauses vordringen und wurde von dort aus wieder gewaltfrei hinaus eskortiert.


Nach dieser Aktion wurde die Menschenkette zahlenmäßig aus dem Innenraum weiter verstärkt und ein Durchkommen für die Nazis unmöglich. Nun skandierten beide Seiten Parolen. Die Nazis provozierten mit volksverhetzenden Inhalten. Die Demokraten reagierten mit Sarkasmus: „Ohne den Verfassungsschutz seid Ihr nur zu dritt“. Zu dieser Zeit erreichten auch die ersten Polizisten den Friedensplatz – lange nach dem Eintreffen der ersten Rettungswagen, deren Reaktionszeit deutlich kürzer war, als die Reaktionszeit der Polizei.


Diese ersten wenigen Beamten stellten sich dann schützend vor die Menschenkette und hielten die Nazis durch den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray auf Abstand. Nach und nach verstärkte die Polizei ihre Einsatzkräfte und schließlich wurden die Rechten von der Polizei eingekreist und später zu den Haltestellen des ÖPNV eskortiert, mit denen sie auch aus Dorstfeld kommend angereist waren.

Montag, 31. März 2014

Stilblüten aus dem Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung, Wohnen und Immobilien (AUSWI) vom 26.3.2014



Stilblüte 1: Das Umweltamt hat 60 von 90 beantragten Osterfeuern wegen Verstößen gegen die Osterfeuerverordnung nicht genehmigt. Es weist darauf hin, dass das Holz frühestens 14 Tage vor dem Feuer gesammelt werden darf und am Tag des Osterfeuers von Hand umgeschichtet werden muss. Soweit alles ok.

Nun haben aber letzten Mittwoch die Grünen im Umweltausschuss beantragt, dass Osterfeuerholz von Hand umgeschichtet werden müsse, damit keine Tiere zu Schaden kommen. Ok - kann passieren. Was aber nicht passieren sollte ist dann, dass SPD und CDU diesen Antrag ablehnen mit der inhaltlichen Begründung "Ein bisschen Schwund ist immer! Das kann den Leuten nicht zugemutet werden, das von Hand zu machen".

Stilblüte 2: SPD und CDU lehnen den Antrag der LINKSFRAKTION ab, eine Bushaltestelle für den Fussballverein Westfalia Wickede einzurichten. Dies mit der Begründung, dass man ähnliches bereits in der Bezirksvertretung Brackel befürwortet habe. Nein, nicht abgelehnt – befürwortet. Man lehnt also etwas in dem einem Gremium ab, weil man in einem anderem Gremium dafür war. Alles klar ?!



Nachtrag: zur Stilblüte 2: Die Anregung der BV Brackel zur Einrichtung einer Bushaltestelle findet sich im Nahverkehrsplan nicht wieder. Lediglich eine Anregung für die Stadtwerke ist im Anhang enthalten. Ob die Stadtwerke dies umsetzen oder nicht steht in den Sternen. Eine Zustimmung der SPD im Umweltaussschuss hätte eine Aufnahme in den Nahverkehrsplan bewirken können. Interessantes Spiel das hier gegen den Verein gespielt wird.

Mittwoch, 4. September 2013

Was ist eigentlich los in Ägypten ?



Ein politischer Reisebericht jenseits unserer Medienmeldungen

Um es vorweg zu nehmen: Der folgende Bericht hat sicher keine Allgemeingültigkeit für alle Regionen Ägyptens, sondern spiegelt das wieder, was ich in den Touristenzentren des südlichen Sinais – insbesondere in Dahab – erlebt und wahrgenommen habe. In allen drei Urlauben habe ich im gleichen Hotel ein bisschen außerhalb von Dahab gelebt.

Ich war nun bereits zum dritten Mal in Dahab. Meine erste Reise unternahm ich vor 5 Jahren im Jahr 2008 als Mubarak noch Präsident von Ägypten war. Damals wurde ich auf dem Weg vom Flughafen Sharm-El Sheik bis nach Dahab (2 Stunden Autofahrt) vier Mal an Straßensperren des Militärs angehalten und musste mich einer Personenkontrolle unterziehen. Auf dem Flughafen Sharm-El Scheik patrouillierten Militärs mit Maschinenpistolen, die aber aufgrund ihrer ruhigen und zurückhaltenden Art erstaunlicherweise kaum bedrohlich wirkten, sondern die Sicherheit auf dem Flughafen garantierten.

In Dahab selbst waren die Hotels ausgebucht. Neben den Europäern von denen Deutsche, Briten, Italiener, Tschechen und Russen die größten Anteile hatten, machten auch viele Ägypter vor allem aus der Metropole Kairo dort Urlaub. Sowohl Kopten als auch Muslime waren vertreten. Die Frauen waren hochgeschlossen gekleidet und am Strand gingen die Frauen in voller Gewandung ins Wasser, um die Blicke der Männer nicht zu verführen. Das Verhältnis zwischen Ägyptern und den auf dem Sinai lebenden Beduinen schien allerdings nicht zum Besten bestellt, denn diese wurden in aller Regelmäßigkeit verscheucht und auf Abstand gehalten, was diese durch Bemerkungen honorierten, dass der Sinai eigentlich ihr Land sei. Wer Kontakt zu den Einheimischen wollte, musste diesen schon in eigener Regie aufnehmen. Die Beduinen erzählten ihrerseits von der großen sozialen Not und von einem informellen Abkommen mit Israel – wer krank oder schwer verletzt ist, wurde von den Israelis per Hubschrauber zur Behandlung nach Israel gebracht, medizinisch behandelt und danach wieder zurückgebracht. Die ägyptische Führung kümmerte sich um das Wohl der Beduinen dagegen ins keiner Weise.

Vor zwei Jahren, also 2011 war ich zum zweiten Mal dort. Mubarak war gerade erst durch eine Revolution breiter Teile der Bevölkerung abgesetzt worden. Mursi war zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht Präsident Ägyptens. Das Militär war verschwunden. Auf dem Weg zwischen Sharm-El Sheik und Dahab winkten die desinteressiert wirkenden Polizisten an zwei Polizeiposten die Transferbusse einfach durch. Das Hotel war etwa zur Hälfte ausgebucht. Eine demokratische Revolution war den Europäern offenbar nicht geheuer und sie zogen andere Reiseziele vor, was sowohl von den im Hotel arbeitenden Ägyptern als auch von den anwesenden Europäern kaum verstanden wurde.

Doch dann die erste Überraschung. Mitten im Hotel gab es gut versteckt in einem als Appartmenthaus getarntem Gebäude eine koptische Kirche. Der Besitzer des Hotels – ebenfalls ein Kopte – outete sich nach der Revolution und hoffte auf ein Ende der bisherigen Repression gegen seine Glaubensgemeinde. Die Verwaltung von Dahab reagierte entsprechend. Sie richtete einen Busshuttle zwischen dem Ort und dem Hotel ein – nicht der Touristen wegen, sondern damit in Dahab lebende Kopten die Kirche im Hotel besuchen konnten, denn im Ort gab es keine Kirche. Touristen aus Kairo waren kaum vorhanden – offenbar waren die Menschen beschäftigt. Auch das Verhältnis zwischen Beduinen und Ägyptern schien sich verbessert zu haben. Anstatt die Beduinen zu verjagen hatte man sich arrangiert. In geringem Umfang waren Beduinenkinder zum Verkauf von selbst herstellten Freundschaftsbändchen zugelassen und die Männer warben dafür ihre Dromedare und Pferde mieten zu können – auch für Ausflüge ins Landesinnere. Eine gute Einnahmequelle für die Beduinen, die nun ebenfalls vom Tourismus profitierten.

Und nun im Jahr 2013 war ich erneut in Dahab. Der zwischenzeitlich demokratisch gewählte Präsident Mursi von der Muslimbruderschaft war gerade erst vom Militär abgesetzt. Blutige Auseinandersetzungen mit hunderten Toten in der Region Kairo hatten bereits stattgefunden. Der Flughafen Sharm-El Sheik wirkte wie eine leere große Halle. Es gab kaum Touristen. Das Hotel in Dahab war nur zu rund 20% ausgebucht. Auf dem Weg zwischen Sharm-El Sheik und Dahab gab es wieder verstärkte Polizeistellungen. Diese winkten aber die Fahrzeuge mit Touristen unbehelligt durch. Dennoch: Die vor zwei Jahren nur leicht bewaffneten Polizisten waren durch Maschinengewehrstellungen aufgerüstet worden. Man wollte wohl kein Risiko eingehen. Entsprechend abgeriegelt war Dahab. Ausflüge ins Innere des Sinai waren plötzlich aus Sicherheitsgründen verboten.

Überrascht war ich, dass es mir nicht gelungen ist, einen Gegner des Militärputsches zu finden. Egal wen man fragte – ob Kopten, Muslime oder Beduinen – alle waren mit der Absetzung Mursis einverstanden. Die einzigen kritischen Stimmen monierten die Erschießungen von Muslimbrüdern auf den Demos. Aber Mursi und die Moslembrüder hatten sich in dieser Region alle Sympathien gründlich verscherzt. Mit dem Putsch waren die Menschen sehr zufrieden. Nach den Gründen für diese Haltung gefragt kam zutage, dass Mursi weit davon entfernt war ein Demokrat zu sein und der Putsch nicht die Demokratie gefährdete, die Mursi ohnehin ad absurdum führte. Die Verfassungskommission wurde von den Moslembrüdern dominiert und sie nutzen ihre Mehrheit um zu versuchen aus Ägypten einen islamischen Gottesstaat unter der Scharia zu machen. Kaum war die Verfassung verabschiedet wurde sie vom ägyptischen Verfassungsgericht auch gleich wieder einkassiert. Dass die christlich-orthodoxen Kopten mit einer radikalislamischen Gruppe nichts anfangen konnten ist geradezu selbsterklärend, aber vor allem die muslimischen Frauen haben sich inzwischen viele neue Spielräume erkämpft.

Das war auch am Strand zu sehen. Vorbei die Zeit als ägyptische Frauen in langen Gewändern mehr versuchten nicht im Meer zu ertrinken als wirklich zu schwimmen. Sie trugen nun nach westlichem Vorbild Badeanzüge. Und unter den Bediensteten des Hotels gab es etliche Frauen, die sogar das Kopftuch ablegten und sich gegen spitze Bemerkungen der Männer sehr erfolgreich zur Wehr setzten. Auf dem Inlandsflug nach Kairo, wo mein Flieger nach Deutschland auf mich wartete, waren sogar selbstbewusste muslimische Frauen im Minirock zu sehen. Während des gesamten Aufenthalts konnte ich nur eine einzige Frau in einer Burka erblicken. Und auch alleinreisende Frauen gab es nun, die „einfach mal raus“ wollten.

Für das Militär gab es aber auch ein gewichtiges außenpolitisches Argument Mursi abzusetzen, denn Mursi hatte zum heiligen Krieg in Syrien aufgerufen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt beschlossen die Militärs die Notbremse zu ziehen. Das war ein Argument, dem ich immer wieder begegnet bin. 

Mittwoch, 13. März 2013

Ein Vermieterhandbuch gegen Nazis ? Skandalöses aus dem Dortmunder Rat


Als einer meiner Mitarbeiter in der Fraktionsgeschäftsstelle mit der Idee auf mich zu kam, die Stadt dazu zu veranlassen ein Handbuch herauszugeben, dass Vermietern und Verkäufern von Immobilien Ratschläge im Umgang mit potentiellen Neonazis als Mieter oder Käufer ihrer Objekte gibt, hielt ich dies sofort für eine gute Idee. Schließlich hat Dortmund ein gewaltiges Naziproblem, dass nicht mal im Ansatz gelöst ist. Die Erfahrungen aus Dorstfeld und Huckarde, wo Nazis Ladenlokale bezogen hatten und versuchten über den Zusammenzug von Nazis aus dem Umfeld eine ihrer widerlichen „national befreiten Zonen“ zu errichten, die wir aus anderen Städten - besonders in Ostdeutschland - zur Genüge kennen, bestärkte unsere Fraktion die Sache anzugehen. Da sogar der NRW-Innenminister die Dortmunder Nazikameradschaft für so gefährlich hielt, dass er sie als verfassungsfeindliche Organisation verboten hat, erschien das Vorhaben ein unter Demokraten wohl Unstrittiges zu sein – nach Bekanntwerden der Kontakte der Dortmunder Naziszene zu den NSU-Terroristen im Untersuchungsausschuss des Bundestages insbesondere. Ich hätte daher nicht im Traum daran gedacht zu welcher unglaublichen Geschichte sich die Sache aufblasen würde.

Zur Ratssitzung am 14.2.2013 stellten wir also den Antrag ein „Handbuch für Vermieter, Verwalter und Verkäufer - Wie umgehen mit Anmietungs- und Kaufversuchen Rechtsextremer?“ herauszugeben. Kurz vor der Sitzung bat mich der stellv. Fraktionsvorsitzende der SPD um ein Gespräch und bat mich zuzustimmen, den Antrag in den Ausschuss für Umwelt, Stadtgestaltung, Wohnen und Immobilien (AUSWI) überweisen zu lassen. Die SPD sei sich noch uneinig über das Vorgehen, würde den Antrag aber nicht ablehnen wollen. Nach der Überweisung solle man dann etwas gemeinsames im Sinne der Zielsetzung unseres Antrages entwickeln, dass die SPD dann ebenfalls mittragen könne.

Dazu war ich natürlich gerne bereit. Entsprechend habe ich als erster Redner zum Thema in der Antragsbegründung den Vorschlag der SPD aufgegriffen und mich mit einer Überweisung in den AUSWI einverstanden erklärt. Eigentlich hätte die Ratsdebatte an dieser Stelle beendet sein können.

Als Nächstes war jedoch ein älterer Herr von der FDP an der Reihe, der in seine Rede den ganzen angestauten Hass auf Linke Politik in Deutschland legte und DIE LINKE auf eine Stufe mit den Nazis stellte. Dies konnte natürlich so nicht stehen gelassen werden und eine Ratskollegin der Grünen wies den unpassenden Vergleich des FDP-Ratsmitgliedes ebenso deutlich zurück. Der Oberbürgermeister ließ sich in der aufgeheizten Stimmung dazu hinreißen deutlich zu machen, dass er es für einen Grundrechtsverstoß halten würde, ein Handbuch wie vor uns vorgeschlagen herauszugeben, ebenso Ratsmitglieder von der CDU.

Das Ganze gipfelte in einem Eklat: Der Fraktionsvorsitzende der FDP stellte den Wortbeitrag der Grünen Ratsfrau in einem Wortbeitrag wortwörtlich in die Zeit zwischen 1933 und 1945. Auf Bundes- und Landesebene mussten schon Politiker für weniger zurücktreten.

Nach der dann endlich abgeschlossenen und im Niveau unterirdischen Debatte erfolgte dann die besagte Überweisung des Antrages in den AUSWI. Die Sitzungpause des Rates wurde dann vom Oberbürgermeister genutzt um den FDP-Chef ins Gebet zu nehmen und zu einer halbherzigen Entschuldigung gegenüber der Kollegin von den Grünen zu bewegen.


Entsprechend des besprochenen Verfahrens verabredeten sich der Kollege von der SPD und ich eine Woche vor der Sitzung des Ausschusses, um einen konsensfähigen Antrag vorzubereiten. Allerdings kam dann krankheitsbedingt eine kurzfristige Absage des Kollegen, so dass wir den Antrag per E-Mail und telefonisch vorbereiten mussten.

Zwischenzeitlich meldete sich auch die Ausschussvorsitzende von den Grünen in der Sorge, dass es eine ähnliche Schlammschlacht wie im Rat geben könnte, wenn der Antrag unverändert bliebe. Ich informierte sie daher über den aktuellen Stand der Gespräche und stellte den Ersetzungsantrag in Aussicht. Diesen wollten die Grünen nach Aussage der Ausschussvorsitzenden und Fraktionssprecherin dann mittragen.

Die Endabstimmung des Antrages stellte sich dann wieder als etwas zäh heraus. Der Kollege von der SPD hatte mit dem Leiter der Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus in Dortmund gesprochen und wurde so auf eine Broschüre aus Köln aufmerksam – dort herausgegeben, unter anderem vom kommunalen Wohnungsunternehmen, vom DGB, ver.di und der NGG. Diese befasste sich mit dem Thema der Ladenlokale. Die SPD hatte zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossen, dass Thema der Privatwohnungen nicht mit zu verabschieden.

Die Broschüre war allerdings hervorragend und der Antragsentwurf wurde dahingehend modifiziert, diese Broschüre zur Grundlage einer Dortmunder Broschüre zu machen. Zur Absegnung durch seine Fraktion leitete der SPD-Kollege (immerhin ja stellv. Fraktionsvorsitzender) den Antragsentwurf an die SPD-Fraktionsgeschäftsstelle weiter. Dies war bereits am Vortag der Ausschusssitzung.

In der Linken Geschäftsstelle hieß es dann auf die Änderungswünsche der SPD zu warten. Erst am Tage der Ausschusssitzung – am 13.3.2013 - konnten wir durch wiederholte Nachfragen in der SPD-Fraktionsgeschäftsstelle dann die Aussage erhalten, dass die SPD den Antrag gar nicht mittragen wolle, egal in welcher Formulierung. Über diese Aussage verwundert setzte ich den stellv. Fraktionschef der SPD in Kenntnis und dieser war mehr als angefressen und bat mich um Geduld. Er würde das noch regeln.

20 Minuten vor der Sitzung des Ausschusses begegneten wir uns eher zufällig wieder. Bis dahin hatten wir den Antrag immer noch nicht ins Gremiensystem eingestellt. Ich bot an, den kompletten Tagesordnungspunkt zurückzuziehen, wenn es bei der SPD keine Mehrheit dafür gäbe und wollte den Nazis nicht die Genugtuung gönnen, dass gegen sie gerichtete Anträge abgelehnt werden. Doch dieses Angebot hielt der SPD-Kollege für unnötig, weil er sich schon bei seinen Kollegen durchsetzen werde. Wir stellten den Antrag daher ein und gaben ihn als Tischvorlage in die Sitzung.

In der Ausschusssitzung schließlich versuchte die CDU zunächst den Tagesordnungspunkt komplett absetzen zu lassen. Ein kurzer Blickkontakt zur SPD - Kopfschütteln zum Ansinnen der CDU. Zu diesem Zeitpunkt musste ich davon ausgehen, dass der Kollege Erfolg hatte. Die Ausschussvorsitzende der Grünen wies auf unsere Tischvorlage hin und erklärte, dass damit wohl die Bedenken der Ratssitzung ausgeräumt wären. Der Antrag bleib damit auf der Tagesordnung.

Nach Aufruf des Tagesordnungspunktes stellte ich den Antrag in aller Kürze vor. Darauf meldete sich der Vorsitzende der SPD-Ausschussfraktion zu Wort und erklärte, dass die SPD den Antrag ablehnen werde, weil sie rechtliche Bedenken habe. Daraufhin meldete sich die Ausschusssprecherin der Grünen und erklärte Ähnliches (nicht ohne damit Bekundungen von KollegInnen einzuholen, die deren Bauchschmerzen mit dieser Entscheidung erklärten). Im Ergebnis war DIE LINKE die einzige Fraktion, die diesen Antrag unterstützte, während SPD, CDU, Grüne und FDP/Bürgerliste zusammen mit dem Vertreter der NPD gegen den Antrag stimmten.

Freitag, 8. Februar 2013

Hinterzimmerspielchen gegen Geringverdiener

Absprache von SPD und CDU zur Privatisierung der Gebäudereinigung geplatzt

Im Personalausschuss am 31.1. platzte eine Absprache zwischen SPD und CDU aus den Haushaltsberatungen 2013 die Gebäudereinigung der Stadt Dortmund komplett zu privatisieren. Anlass der Debatte war die Beratung eines gegenläufigen Antrages der LINKSFRAKTION, die Gebäudereinigung vollständig in die Regie der Stadt Dortmund zurückzuholen. Derzeit wird die Hälfte der Gebäudereinigung in der Regie der städtischen Immobilienwirtschaft durchgeführt und die andere Hälfte durch private Reinigungsfirmen. 

Der Antrag der LINKEN hatte eine Aussage des Personalberichtes für das Jahr 2011 (im Oktober 2012 dem Personalausschuss vorgestellt) zur Grundlage, nach der eine Gebäudereinigung in der Hand der Kommune um 30% günstiger sei als die Fremdvergabe an Private. Dem gegenüber stand eine Ratsvorlage des Dezernates Lürwer (CDU) nach der eine komplette Privatisierung rund 1,5 Mio. Euro günstiger für den städtischen Haushalt wäre.

In der Debatte des Personalausschusses stellte sich heraus, dass die Aussage des Personalamtes durch einen redaktionellen Fehler zustande kam und sich der 30% Kostenvorteil ausschließlich auf den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit) bezieht. Allerdings stellte sich auch heraus, dass die Ratsvorlage aus dem Hause Lürwer tendenziös gestaltet und geleitet war von dem Interesse, dem Rat eine Zustimmung zur Privatisierung abzuringen. Eine Einbeziehung von vermehrten Kosten der Unterkunft für die Kommune wurde beispielsweise vergessen.

Folgerichtig teilte OB Sierau der CDU-Fraktion in öffentlicher Sitzung mit, dass die getroffene Vereinbarung nicht mehr gültig sei und die SPD nun beim Status Quo von 50% Eigenreinigung und 50% Fremdreinigung bleiben werde. 

Der Antrag der LINKEN aus Rekommunalisierung wurde allerdings von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Dies ist besonders bedauerlich, da viele private GebäudereinigerInnen von ihrem Lohn nicht leben können, sondern trotz Arbeit von Transferleistungen wie Hartz IV abhängig sind. Von den schlechteren Arbeitsbedingungen ganz zu schweigen.

Montag, 26. November 2012

Dortmunder Rat weist Initiative zur Vermögenssteuer zurück

SPD-Fraktion blamiert sich bei Abstimmung zur Vermögenssteuer


Gegen die Stimmen von DIE LINKE und Bündnis90/Die Grünen hat der Dortmunder Rat es abgelehnt, der Initiative „Vermögenssteuer jetzt !“ beizutreten, mit der Druck auf die Bundesregierung entwickelt werden soll, wieder eine Vermögenssteuer zu erheben. Von CDU und FDP war aufgrund ihrer programmatischen Ausrichtung zugunsten der Besserverdienenden in der Gesellschaft nichts anderes als eine Ablehnung zu erwarten. 

Die Ablehnung der SPD-Fraktion war aber eher überraschend, denn damit fällt die Ratsfraktion der SPD im Vorfeld der Bundestagswahlen ihrer Bundespartei programmatisch in den Rücken. Sowohl Parteichef Sigmar Gabriel als auch die Generalsekretärin Andrea Nahles gehören schließlich zu den Erstunterzeichnern der Kampagne, ebenso wie Oskar Lafontaine und Sarah Wagenknecht oder ver.di-Chef Frank Bsirske. Entsprechenden Unmut in den Reihen der SPD-Fraktion gab es daher über das von der Fraktionsspitze vorgetragene Abstimmungsverhalten und ein knappes Viertel der SPD-Ratsmitglieder stimmte gegen ihre eigene Fraktionsspitze dem Antrag der LINKEN zur Vermögenssteuer zu.

Zunächst hatte die finanzpolitische Sprecherin der SPD, Jutta Starke, noch versucht eine Abstimmung über den Antrag zu verhindern, indem sie DIE LINKE darum bat den Antrag zurück zu ziehen. Dies mit der Argumentation, dass die Kommune keinen Einfluss auf die Bundesgesetzgebung habe. DIE LINKEN ersparten der SPD-Fraktion die Peinlichkeit gegen eine von den Bundesparteien der SPD, der Grünen und der LINKEN geforderte Vermögensabgabe abzustimmen allerdings nicht. 

Aus NRW sind inzwischen mehrere Städte wie Duisburg, Herne, Waltrop oder Iserlohn der Kamapne beigetreten. Darüber hinaus arbeiten die Landesregierungen aus NRW, Rheinland-Pfalz, Hamburg und Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) an der Ausgestaltung einer künftigen Vermögenssteuer.